Wir wissen nicht, ob der dreifache Familienvater Dr. Joachim Pfeiffer bei seinen (vielen) heutigen Terminen auf der Gamescom Gelegenheit fand die neuesten Spiele für seine Söhne vorzutesten. Jedoch nahm er sich zuvor die Zeit um unsere Fragen zur Bundestagswahl zu beantworten. Der 50-jährige ist seit 2002 Mitglied des deutschen Bundestages und wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Die-Wirtschaftsnews: Die Industrienation Deutschland liegt beim Thema Digitalisierung im internationalen weit zurück. Welche konkreten Maßnahmen müssen aus Ihrer Sicht sofort angegangen werden um den Rückstand auf andere Länder aufzuholen?
Dr. Joachim Pfeiffer: Die Digitalisierung hat mittlerweile Einzug in nahezu alle Lebens- und Arbeitsbereiche erhalten und verknüpft Menschen, Maschinen und Prozesse. Die mit der digitalen Transformation einhergehenden Chancen gilt es zu nutzen. So kann die Digitalisierung die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken und zum Wachstumstreiber der hiesigen Wirtschaft werden. Allein die Industrie 4.0 besitzt laut einer aktuellen Bitkom-Studie das Potenzial, eine zusätzliche Bruttowertschöpfung von 78 Milliarden Euro bis 2025 zu schaffen.
Für die CDU/CSU steht fest: Deutschland soll bis 2025 zum Gigabit-Land werden und Vorreiter bei der digitalisierten Vernetzung von Produkten und Produktionsprozessen sein. Zwar waren der flächendeckende Breitbandausbau, der europäische Datenschutz und das vor kurzem beschlossene WLAN-Gesetz wichtige Schritte in die richtige Richtung, doch weitere müssen folgen, um diese Ziele zu erreichen. Denn: Wer nicht konsequent digitalisiert, verliert.
Deutschland darf sich jetzt nicht auf seinem bisherigen wirtschaftlichen Erfolg „made in Germany“ ausruhen, sondern muss eisern seine digitalen Hausaufgaben machen. Beispielsweise hat der Online-Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland einen Marktanteil von weniger als ein Prozent, da die Konsumenten hierzuladen langsamer digitale Dienstleistungen adaptieren. In Großbritannien liegt der Marktanteil hingegen bei mehr als acht Prozent. Statt analoge Skeptiker brauchen wir digitale Pioniere.
Bis 2025 möchte die Union 100 Milliarden Euro in den Gigabit-Breitband-Bereich investieren und schnelle IT-Verbindungen massiv vorantreiben. Aus heutiger Sicht sind dabei vornehmlich Investitionen in Glasfaser-Netze wünschenswert. Da aber niemand die technologische Entwicklung vorhersehen kann, wollen wir den Breitband-Ausbau technologieoffen gestalten. Mit dem aktuellen Breitband-Förderprogramm haben wir dazu bereits ein Instrument gefunden, das private Investitionen mit öffentlicher Förderung flankiert. Dies baut vorhandene Investitionshemmnisse ab. Dieses Programm wollen wir fortschreiben.
Der nächste Schritt sind flächendeckende Hochgeschwindigkeitsnetze vor allem für Industrie, Telemedizin und autonomes Fahren. Für Unternehmen bedeutet das auch, ihre Mitarbeiter auf die digitale Arbeitswelt vorzubereiten und entsprechend zu schulen. Insbesondere für den Mittelstand wollen CDU/CSU die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, damit Betriebe zu Investitionen in die Digitalisierung bereit sind und innovative Geschäftsmodelle entwickeln. Dazu gehört es, ein unbürokratisches, kapitalstarkes Innovationsumfeld zu schaffen.
Deutschland darf bei der digitalen Transformation im internationalen Vergleich nicht auf der Strecke bleiben. Unternehmen gleichermaßen wie Bürger sollen vom digitalen Wandel profitieren können. Der Ausbau der digitalen Infrastruktur und der Schutz vor Cyberkriminalität durch das IT-Sicherheitsgesetz sowie Investitionen in IT-Sicherheitsexperten und-technologien sind daher das A und O. Nicht zuletzt gilt es, gerade auch dem ländlichen Raum, Tür und Tor zur digitalen Zukunft zu eröffnen und weiße Flecken auf der Landkarte zu erschließen.
In Ihrem Wahlprogramm sprechen Sie vom „Masterplan Selbständigkeit“. Wie wollen Sie jungen Bürgern und Quereinsteigern den Einstieg in die Selbständigkeit erleichtern?
Selbständige, freie Berufe, Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen sind das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Sie schaffen die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze, sind innovativ, dynamisch und extrem krisenfest. Um Wohlstand, Wettbewerb und wirtschaftliches Wachstum auch in Zukunft zu sichern, ist das Land der Ideen auf neue Existenzgründungen angewiesen. Deshalb wird sich die Union auch in der nächsten Legislaturperiode mit einem „Masterplan Selbstständigkeit“ für Gründer und Selbständige stark machen. Konkret heißt das, eine neue Gründerkultur zu schaffen, in der Scheitern nicht als Schande, sondern als Chance verstanden wird und in der der Mut, Neues zu wagen, gelobt statt kritisch hinterfragt wird. Die Finanzierungsbedingungen für Startups gilt es, in allen Phasen zu verbessern. Dazu sollten beispielsweise bürokratische Hürden bei der Gründung abgebaut werden. Mit der 2015 eingeführten Bürokratiebremse, dem sogenannten „One in, one out“-Prinzip, und der Anhebung der Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 410 auf 800 Euro, hat die unionsgeführte Bundesregierung in dieser Legislaturperiode bereits wichtige Meilensteine zur Entlastung des Mittelstands erreicht.
Zudem gilt es, Startups den Zugang zu Wagniskapital über steuerliche Förderung zu erleichtern. Der jüngst auf den Weg gebrachte Ausbau der ERP-Mittelstandsförderung und der Aufbau einer Wagniskapital- und Beteiligungsfinanzierung innerhalb der KfW blasen bereits jetzt frischen Wind auf den deutschen Wagniskapitalmarkt. Wer sich an Startups beteiligt, soll das bei der Steuer berücksichtigen können. Auch eine Reform zur Vereinfachung des Steuerrechts ist erforderlich, um Deutschland für ausländische Investitionen attraktiv zu machen. Doch Selbständigkeit fängt nicht erst nach dem Studium an. Bereits in der Schule muss der Unternehmergeist der jungen Tüftler und Denker gefördert und ein Nährboden für innovative Ideen gelegt werden. Denn die jungen Köpfe in der digitalen Welt bilden das Kapital der wirtschaftlichen Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist es umso dringlicher, dass wir die Chancen und Potenziale der Digitalisierung am Schopf ergreifen. Hierbei spielt der Breitbandausbau eine entscheidende Rolle. Gerade auch ländliche Regionen dürfen künftig nicht mehr vom Highspeed-Internet abgeschnitten sein.
Damit wird klar: Deutschland mangelt es nicht an guten Ideen und fleißigen Menschen, vielmehr sind es hauptsächlich die Rahmenbedingungen, die Existenzgründern zu schaffen machen. Daher setzt sich die CDU/CSU dafür ein, die klassische Förderpolitik abzulösen und stattdessen auf eine zukunftweisende Innovationspolitik zu setzen. Umfassende Beratung und Förderung sowie ein gezieltes Abtragen des Bürokratiebergs sind Schlüssel, um Selbstständigen nachhaltig den Rücken zu stärken.
Sie planen größere steuerliche Entlastungen für Familien bei der Grunderwerbsteuer sowie ein Baukindergeld in Höhe von 1.200 Euro/Jahr. Gerade in städtischen Gebieten explodieren die Immobilienpreise. Wäre es im Sinne der Dezentralisierungsstrategie nicht sinnvoll, diese Entlastungen in ländlichen Räumen stärker einzusetzen?
Das beste Mittel gegen Wohnungsnot und steigende Immobilienpreise ist der Bau neuer Wohnungen. Deshalb stärkt die CDU den Mietwohnungsbau sowie Wohneigentum in ganz Deutschland. Bereits zwischen 2013 und 2017 hat die unionsgeführte Bundesregierung den Bau neuer Wohnungen gefördert und erreicht, dass eine Million Wohnungen neu entstanden sind. Bis 2021 sollen 1,5 Millionen Wohnungen neu gebaut werden. Insbesondere für Familien – die Säulen und die Zukunft unserer Gesellschaft – wollen wir mehr Spielraum schaffen. Die CDU wird nicht nur das Kindergeld um 25 Euro pro Monat erhöhen und den Kinderfreibetrag entsprechend anheben, sondern auch ein Baukindergeld in Höhe von 1.200 Euro pro Jahr für jedes Kind einführen. Dieses soll für zehn Jahre ausgezahlt werden. Zudem werden wir bei der Grunderwerbsteuer Freibeträge für den erstmaligen Erwerb selbstgenutzten Wohneigentums einführen.
Mit der „Offensive ländlicher Raum“ setzt die Union auf die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit ländlicher Regionen. Die Errichtung von Behörden, der Zugang zu Bildungs- und Forschungseinrichtungen und zu Leistungen der Daseinsvorsorge machen das Leben auf dem Land nachhaltig attraktiver. Stärker als bisher soll die Arbeit zu den Menschen kommen. Auch der Zugang zu öffentlicher Infrastruktur ist in Zeiten der Digitalisierung wichtiger denn je. Mit dem flächendeckenden Breitbandausbau bis 2025 sorgt die Union dafür, dass keine Region in Deutschland von schnellem Internet ausgeschlossen ist.
Unpopulär ist die Ausweitung der Verteidigungsausgaben auf 2% des Bruttoinlandsproduktes. Außer der FDP lehnen dies alle größeren Parteien ab. Wieso nicht die CDU/CSU?
Ob internationaler Terrorismus, Flüchtlingskrise oder ein steigender Links- und Rechtsextremismus, die Sicherheitslage in Deutschland, Europa und der Welt hat sich grundlegend verändert. Weder blindes Vertrauen auf andere noch nationale Alleingänge führen angesichts dieser immer komplexer werdenden sicherheitspolitischen Herausforderungen zum Ziel; vielmehr ist eine enge Zusammenarbeit innerhalb der EU gefordert. Das erfordert auch von Deutschland, seine Rolle in der Welt zu spielen und Verantwortung zu übernehmen. Die protektionistischen Tendenzen der USA und der Brexit führen deutlich vor Augen: Diese Aufgabe wird uns künftig niemand mehr abnehmen. Die Devise muss daher lauten: Europa, hilf dir selbst!
Oberstes Gebot ist es, die Sicherheitsarchitektur in Deutschland neu zu ordnen und in die innere und äußere Sicherheit unseres Landes zu investieren. Dabei muss allen klar sein: Sicherheit kostet. Die Union aus CDU und CSU bekennt sich klar zur Ausweitung der Verteidigungsausgaben und dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO.
Die neuen sicherheitspolitischen Anforderungen kann Deutschland nur mit einer eigenen leistungs- und wettbewerbsfähigen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie realisieren. Mit modernen, verlässlichen Technologien „made in Germany“ können wir unsere Kernfähigkeit bewahren und darüber hinaus internationale Partner und Verbündete unterstützen. Hierbei gilt es, die Liste der deutschen Schlüsseltechnologien zu erweitern. Bedauerlicherweise werden Rüstungsexporte schon heute ohne deutsche Komponenten geplant – ‚German free‘ wird bei unseren Verbündeten zum Qualitätssiegel. Die Folgen sind dramatisch. Die Rüstungsindustrie und damit auch die entsprechenden technologischen Fähigkeiten werden so langfristig aus Deutschland abwandern. Deutschland droht sich damit auch bei seinen Nato-Verbündeten zu isolieren. Umso wichtiger ist eine bessere Koordinierung und effizientere Ausgestaltung der gemeinsamen Rüstungs- und Verteidigungsaktivitäten auf EU-Ebene. Gerade auch eine Harmonisierung der Rüstungsexportpolitik innerhalb der EU ist mehr als überfällig.
Das ursprüngliche Ziel von einer Million zugelassenen Elektroautos in Deutschland bis 2020 wird deutlich verfehlt. Wie kann die Politik die deutsche Automobilindustrie in der Entwicklung konkurrenzfähiger Autos unterstützen um die Weltmarktstellung zu sichern?
Die Elektromobilität ist ein wichtiges Zukunftsthema und eine Wachstumsbranche. Dennoch: Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Statt der Wirtschaft Vorschriften zu machen, wann welches Produkt in welcher Menge auf dem Markt zu sein hat, ist es die Aufgabe des Staates, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Schon seit Jahren setzt sich die Union dafür ein, dass Deutschland weltweit zum Leitmarkt und Leitanbieter bei der Elektromobilität wird. Die in dieser Legislaturperiode erfolgte steuerliche Gleichstellung von E-Autos als Firmenwagen ist eine wichtige Maßnahme, ebenso die Förderung des Aufbaus einer Ladeinfrastruktur. Eine Erweiterung der steuerlichen Anreize sowie die Bereitstellung der Infrastruktur, wie zusätzliche Ladestationen für Elektroautos, sind auch künftig gefragt. Die Förderung der Elektromobilität muss dabei technologieoffen und ohne ideologische Scheuklappen erfolgen. Nur das kurbelt den Markt nachhaltig an, sodass Elektroautos nicht nur in einer kritischen Masse produziert und damit günstiger werden können, sondern vom Kunden auch angenommen werden. Dafür geht der Bund mit gutem Beispiel voran und wird für seinen eigenen Fuhrpark mindestens 20 Prozent E-Autos beschaffen. Instrumente wie die heiß diskutierte Kaufprämie sind allerdings mit höchster Vorsicht zu genießen; sie erzeugen lediglich Strohfeuer und Mitnahmeeffekte, verursachen aber gleichzeitig sehr hohe Kosten. Auch eine E-Auto-Quote wie jüngst gefordert, brauchen wir nicht. Absatzquoten, egal welcher Art, sind Planwirtschaft. Der bessere Weg ist es, verbindliche und überprüfbare Emissionsgrenzwerte festzulegen. Diese können dann technologieoffen im Wettbewerb am Markt durch die Automobilunternehmen und andere Mobilitätsdienstleister erbracht werden.
Die abschließende Frage welche wir jeder Partei stellen: Wieso sollen die Bürgerinnen und Bürger Ihrer Partei am 24. September die Stimme geben?
Ein Beschäftigungsrekord auf dem Arbeitsmarkt, steigende Löhne und Renten, ein solide finanzierter Haushalt – Deutschland geht es aktuell so gut wie nie, auch dank der verlässlichen Politik der unionsgeführten Bundesregierung in den letzten Jahren. Ob Flüchtlings- oder Finanzkrise – Angela Merkel hat bewiesen, dass sie unser Land sicher und erfolgreich durch schwieriges Fahrwasser führen kann. Auch in den nächsten vier Jahren wird sich die Union dafür einsetzen, dass Deutschland weiterhin ein Stabilitätsanker, Wachstumsmotor und ein Land der Chancen bleibt. Als lebendige Volkspartei macht die CDU eine Politik für die Mitte unserer Gesellschaft. Unter der Devise „entlasten statt belasten“ steht die CDU für Familien wie für Unternehmen ein. Wir setzen auf freien Handel und die Soziale Marktwirtschaft, auf einen starken Staat, der seine Bürger schützt und auf ein klares Bekenntnis zu Europa. Denn: Europa stärken heißt Deutschland stärken.
Politische Vita Dr. Joachim Pfeiffer:
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1982 Eintritt in die JU (Junge Union)
- 1985 Eintritt in die CDU Rems-Murr (Christlich Demokratische Union)
- 1990 bis 1994 Kreisvorsitzender der JU Rems-Murr
- 1992 bis 1999 Mitglied des Gemeinderates Urbach
- Seit 1994 Mitglied der Regionalversammlung im Verband Region Stuttgart
- Seit 1996 Vorsitzender der CDU-Fraktion im Verband Region Stuttgart
- 1997 bis 1999 Vertretung des Landesverbandes Baden-Württemberg im Deutschlandrat der Jungen Union
- Seit 2000 Kreisvorsitzender in Rems-Murr
- 2003 bis 2009 Beisitzer im Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg
- Seit 2002 Mitglied des Bundestages
- 2005 bis 2009 Koordinator in Energiefragen und stellvertretender wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
- 2009 bis 2013 wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
- Seit 2014 wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion